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9 Münchner in Berlin
Samstagmorgen am Münchner Hauptbahnhof: Nur der Geübte kann erkennen,
daß sich hier ein knappes Dutzend Schwestern zum
Familien-Ausflug getroffen haben. Zwei Abteile werden belagert, dann
geht's Richtung Berlin. Zum Glück ist es kein Großraumwagen, in
dem alle hintereinandersitzend rückwärts fahren müssen.
Zwischen Nürnberg und Leipzig ist der Steuerwagen vorne und auch die
Nicht-Eisenbahnfreunde schauen dem Fahrer fasziniert über die
Schultern.
Die Pension liegt nahe am S-Bahnhof Savignyplatz.
Christian aus Hannover ist schon da und so kann's gleich losgehen. In der
Motzstraße ist ein großes schwules Straßenfest. Doch die
erste halbe Stunde verbringen wir im Bahnhof Nollendorfplatz und warten
vergebens, daß der strömende Regen nachläßt. Irgendwann
stürmen wir dann doch hinaus, von überdachtem Stand zu
überdachtem Stand. Die Stimmung auf dem Fest entspricht dem Wetter,
wir sind bald genauso naß wie alle anderen und beschließen woanders
hinzugehen.
Nach diesem Einstand wagen wir am Sonntag den ersten Ausflug. Ziel ist der
Werbellinsee in der Nähe der stillegungsgefährdeten
Heidekrautbahn.
In Karow besteigen wir den Zug. Die drei
Abteilwagen mit den roten Plastiksitzen sehen noch richtig nach Reichsbahn
aus und riechen sogar noch so! Wir überlegen schon, ob wir Reisepaß
und DDR-Einreisevium dabei haben . . .
Auf unsere Frage an die Schaffnerin, ob auf
dem Werbellinsee Schiffe fahren, bekommen wir die interessante Antwort, daß
sie als Kind mal damit gefahren ist, seither hat sie nichts mehr davon
gehört. Da sie selbst auch nicht mehr die allerjüngste ist, sind
wir genauso schlau wie vorher.
Die Stadt Groß Schönebeck am Ende
der Heidekrautbahn hat gerademal 2000 Einwohner. Alle anderen Orte in der
Gegend sind noch viel kleiner und jeweils 5 bis 10 km voneinander entfernt.
Dazwischen nur Felder, Wälder und Seen.
Das Wetter ist hervorragend und so wagen wir
die lange Wanderung. Zuerst auf der Straße, dann auf einem schönen
Waldweg nach Eichhorst. Auf den 5 Kilometern durch den Wald kommt uns nur
ein Ehepaar mit einem über die Wurzeln holpernden Kinderwagen
entgegen.
Sonst ist hier nichts los. In Eichhorst haben
die nach der Wende euphorisch renovierten Wirtshäuser längst alle
wieder pleitegemacht. Nur unter den Bäumen am Kanal gibt es eine
Würstchenbude.
Nach einem kurzen Spaziergang entlang des Kanals
kommen wir an den Werbellinsee. Wir entdecken am bewaldeten Ufer eine
Schiffsanlegestelle (mit Fahrplan!). Gegenüber, auf der anderen Seite
des Sees, liegt irgendwo mitten im Wald das berühmte Schloß
Hubertusstock, in dem die DDR-Regierung immer ihre Staatsgäste unterbrachte.
Jetzt soll ein Nobel-Lokal dort sein. Es hat noch nicht pleitegemacht. Man
hat halt die einen Bonzen durch die anderen Bonzen ersetzt.
Nach einer weiteren längeren Wanderung
entlang des Ufers erreichen wir Altenhof. An der hiesigen Würstchenbude
stärken wir uns nochmal, bevor es mit dem Schiff weitergeht.
Das Schiff namens Altwarp war wohl schon alt,
als unsere Schaffnerin damit fuhr. Es wurde 1933 gebaut und tut noch heute
Dienst. Ein weiteres Schiff ist aus den 20er-Jahren und verkehrt noch bei
großem Andrang, was allerding wohl schon lange nicht mehr der Fall
war.
Die herrliche Fahrt über den rundherum
bewaldeten See wird nur kurz von einem Regenschauer getrübt. An der
Hauptanlegestelle in Joachimstal verlassen wir das Schiff. Einen Ort sucht
man hier vergebens. Es gibt nur den Schuppen, in dem sich das zweite Schiff
befindet und ein einzelnes Wohnhaus. Eine unbefestigte Staße führt
uns etwa einen Kilometer duch den Wald hinauf zum Kaiserbahnhof Werbellinsee. |
Der Kaiserbahnhof am Werbellinsee |
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Hier ist wohl immer der Kaiser ausgestiegen,
wenn er seinen Ausflug zum Werbellinsee machte. Die beiden stattlichen
Bahnhofsgebäude zeugen noch davon. |
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Zugzielanzeiger in Eberswalde |
Nach einer halben Stunde kommt die Ferkeltaxe
und wir knattern fröhlich nach Eberswalde, wo gerade eine neue Oberleitung
für den O-Bus aufgehängt wird. |
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Schloß Cäcilienhof in Potsdam |
Schlösser bestimmen den Tagesablauf am Montag. Zuerst bringt uns die
S-Bahn nach Potsdam, dann die Trambahn in die Nähe von Schloß
Cäcilienhof. Hier wurde 1945 das Potsdamer Abkommen unterzeichnet. Jedoch
stellen wir erst einmal ganz nüchtern fest, daß Montag ist und
daß montags garantiert alle Schlösser, Museen und dgl. zu haben!
Der Hof des im englischen Landhausstil erbauten Schlosses ist jedoch offen
und der Sowjetstern aus roten Blumen ist auch noch da.
Nach einem kurzweiligen Spaziergang entlang
der Havel gelangen wir an die berühmte Glienicker Brücke, die
West-Berlin mit Potsdam verbindet. Hier wurden während der DDR-Zeit
immer die Spione ausgetauscht.
Wir gehen aber nicht hinüber, sondern
fahren wieder mit der Trambahn in die Potsdamer Innenstadt. Schließlich
warten hier noch mehr Schlösser auf uns. Gleich beim Brandenburger Tor
von Potsdam (die haben auch eins) geht es in den Schloßpark von Sanssouci.
Während wir die bekannten Weinbergterrassen erklimmen beschleichen uns
philosophische Gedanken: Es ist halt doch besser, wenn schwule Könige
tolle Schlösser bauen, statt ganze Landstriche durch sinnlose Kriege
zu zerstören. Wobei der Alte Fritz allerdings mit den Kriegen nicht
so zimperlich war, wir haben da in Bayern ein besseres
Vorbild . . . |
Chinesisches Teehaus |
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In wildem Zickzack geht es weiter durch den
Schloßpark zur nächsten Sensation: dem Chinesischen Teehaus. Der
nahezu vollständig vergoldete Pavillion strahlt schon eine eigenartige
Faszination aus.
Nach dem Mittagessen kommen wir an die Havel
und sehen ein Gebäude, das aussieht wie eine Moschee, aber die Pumpstation
für die große Fontäne vor dem Schloß Sanssouci
beherbergt.
Wir sind schon lange nicht mehr Trambahn gefahren,
also ab nach Babelsberg! Dort kurven wir mit dem Bus durch die Film-Stadt
zum Schloß Babelsberg. Nichts mehr deutet darauf hin, daß es
hier vor wenigen Jahren noch einige O-Bus-Linien gab. Als erstes entdecken
wir das Heizkraftwerk des Schlosses, das allein schon wie ein Schloß
mit großem Kamin aussieht. Es wirkt aber etwas vergammelt.
Das Schloß selbst ist ziemlich groß
und ebenfalls im englischen Stil erbaut. Die Schatten der nahenden
Gewitter-Wolken erwecken die Stimmung gleich losheulender
Schloß-Gespenster. Aber bis auf die interessanten Schau-Räume
beherbergt es Studentenwohnungen der nahen Filmhochschule.
Nach einem kurzen Spaziergang sind wir wieder
in West-Berlin, diesmal auf der anderen Seite der Glienicker Brücke.
Auch diesmal gehen wir nicht drüber, sondern warten vor dem Schloß
Glienicke auf das Schiff der Stern- und Kreis-Schiffahrt, das im Stundentakt
fährt und uns zur Pfaueninsel bringen soll. Und warten, und
warten . . .
Eine halbe Stunde nach der geplanten Abfahrt
fragen wir die Angler am Bootssteg nach dem Schiff. Sie erzählen, daß
es oft nicht fährt, wenn nicht schon bei der Abfahrt in Wannsee genug
Leute da sind. Wenn die Angler Bayern wären, würden sie auf die
Frage nach unterwegs wartenden Fahrgästen Ja, mei! antworten,
aber Preußen haben keine so prägnante Antwort auf solche Fragen.
So eilen wir zu Fuß die paar Kilometer
an der Havel entlang bis zurAnlegestelle der Pfaueninsel-Fähre.
Die Insel ist ein einmaliges Natur-Erlebnis.
Das Schloß ist zu (Montag!) und so sind wir ziemlich die einzigen Menschen
auf der Insel. Nur die Pfaue laufen völlig ohne Scheu überall herum.
Gelegentlich lassen sie ihre kilometerweit hörbaren Miau-Rufe los oder
schlagen ein Rad. Nach einiger Beobachtung stellen wir fest, daß die
Viecher offensichtlich nicht allzu reichlich mit Intelligenz gesegnet sind;
wie zumindest die männlichen Pfaue mit ihren schwerfälligen
Protz-Federn in freier Wildbahn überleben können bleibt uns ein
Rätsel.
Der Doppeldecker-Bus bringt uns in rasanter
Fahrt durch den Wald zum Bahnhof Wannsee, von dort fährt die S-Bahn
flott in die Stadt. Der krasse Gegensatz von der menschenleeren Wildnis
in nur wenigen Minuten in das hektische Großstadtgetriebe am Kudamm
bringt manche von uns an den Rand des Kulturschocks. |
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Die Woltersdorfer Straßenbahn an der Endstation
Schleuse |
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Am Dienstag steht u.a. die Woltersdorfer Straßenbahn auf dem Programm.
Beginn ist am S-Bahnhof Rahnsdorf. Die Strecke führt erst einige Kilometer
durch den Wald, dann über eine ziemlich kurze Ausweiche, wo normalerweise
fliegend auf der ansonsten eingleisigen Strecke gekreuzt wird, schließlich
durch den Ort Woltersdorf hinunter zur Schleuse. Ein besonderer Clou ist
das Rangieren des Beiwagens, der am Thälmannplatz an den Gegenzug
angekoppelt wird. So reichen für drei Triebwagen zwei Beiwagen, um auf
dem stärker belasteten Abschnitt immer einen kompletten Zug verkehren
zu lassen.
Etappenweise zwischen Regenschauern wandern
wir über eine herrliche Birken-Allee und durch den sandigen Kiefernwald
zum S-Bahnhof Wilhelmshagen und weiter nach Neu-Venedig. Viele kleine Nebenarme
der Spree winden sich hier durch eine Datschen-Siedlung, jeder Garten
hat einen eigenen Hafen. Weiter geht's zum alten Dorf Rahnsdorf. Obwohl wir
mitten auf der Hauptstraße laufen stört uns kein Auto. Die aus
Feldsteinen zusammengefügte Kirche und die wenigen umliegenden Häuser
wirken wie im Dornröschenschlaf, nur die moderne Telefonzelle paßt
nicht so recht ins Bild. Schon gar nicht kann man sich vorstellen, daß
man sich hier mitten in Berlin befindet.
Es gibt es eine kleine Fähre über
die Spree, die kleinste von Berlin. Nach Fahrplan wäre sie gerade weg
und würde erst in einer Stunde wiederkommen. Da schreit schon der
Fährmann vom anderen Ufer herüber, ob wir hinüber wollen.
Er läßt noch ein großes Ausflugsschiff vorbei, dann kommt
er mit seinem kleinen Ruderboot, um uns zu holen. Wenn alle bei dieser Tour
dabeigewesen wären, dann hätte er zweimal fahren müssen. Wir
zeigen ihm unsere hier gültigen BVG-Fahrkarten und er erzählt uns,
daß er das schon fast 40 Jahre lang macht, daß er mit seiner
Fähre schon in allen möglichen Zeitungen und im Fernsehen war und
daß er immer montags frei hat und dann fährt die Fähre halt
nicht. Zwischendrin verkauft er Eis und wenn jemand herüber oder
hinüber will, dann sperrt er schnell seinen Kiosk zu. Aber so oft kommt
das nicht vor. Und da es weit und breit keine andere BVG-Linie gibt braucht
er auch auf keine Anschlüsse zu achten.
Wir marschieren weiter durch den Wald zur
Ausflugsgaststätte Neuhelgoland. Während wir mittagessen bricht
der Regen wieder voll los. Einer hat aber entdeckt, daß vom Anlegesteg
direkt vor dem Gasthaus bald ein Schiff in die Stadt fährt.
Das Schiff kommt pünktlich, wir trocknen
die Bänke auf dem Deck ab, um uns hinzusetzen und so tuckern wir quer
über den Müggelsee. Bald kommt der nächste Schauer, wir gehen
rein, es hört auf, wir gehen raus und trocknen die Bänke ab. Dann
kommt der nächste Schauer. So geht das ungefähr zehn Mal, während
wir Köpenick, Plänterwald und Treptow passieren. Wir fahren auf
der ehemaligen Grenze an Kreuzberg vorbei. Das ist schon ein komisches
Gefühl, wenn man das noch von früher kennt, zumal die Gegend hier
völlig unverändert ist. Sogar ein längeres Stück der
Mauer steht noch, allerdings bunt bemalt, was früher hier nicht
möglich war. Dann fallen noch die gelben U-Bahnen auf, die jetzt wieder
über die zweistöckige Oberbaumbrücke fahren. |
Oberbaumbrücke in Berlin |
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Im Rahmen der Stadtbahnrenovierung hat man
die Seitenwände des Bahnhofs Jannowitzbrücke entfernt, was eigenartige
Einblicke in das Innenleben der Stadtbahnbögen ermöglicht.
Und es geht weiter: durch die
Mühlendamm-Schleuse, durchs Nikolaiviertel, dem ältesten Stadtteil
Berlins, vorbei am Palast der Republik und dem Dom, dann nach einer engen
Kurve unter den Bahnsteigen des Bahnhofs Friedrichstraße hindurch,
um die nächste Ecke zum Reichstag, und dann mitten durch das
Baustellen-Chaos des zukünftigen Regierungs-, Bahnhofs- und
Sonstnochwas-Viertels. Die Kongresshalle und das Schloß Bellevue passieren
wir auch noch, bevor wir schließlich in der Nähe des S-Bahnhofs
Tiergarten anlegen. Diese Schiffahrt ist einer der Höhepunkte der ganzen
Woche, wo kann man sowas sonst noch machen? Nicht einmal in Hamburg!
Der Mittwoch ist dem Spreewald gewidmet. Der Normalbürger fährt
dazu nach Lübbenau und wird dort mit Touristen-Kähnen, die im
2-Minuten-Takt verkehren durch das Museumsdorf Lehde gefahren. An jedem Bauernhof
wird gehalten und es geht erst weiter, wenn mindestens 50 Gurken verkauft
wurden. Nein, so wollen wir nicht herumgurken! Wir fahren also mit dem Zug
nach Lübben, dann mit dem Regionalbus in das abgeschiedene Dorf Alt
Zauche. Im urigen Wirtshaus gibt es Spreewälder Gerichte, danach steht
der Kahn schon exklusiv für unsere Gruppe bereit. |
Der Spreewald ruft... |
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Der Kahnfährmann hat seinen Sohn mitgebracht,
er muß unterwegs die handbetriebenen Schleusen bedienen. Nach kurzer
Fahrt über den sog. Nordumfluter tauchen wir ein in die geheimnisvolle
Dschungel-Landschaft des nördlichen Spreewalds. Wege gibt es hier keine.
Während der zehn Kilometer langen Fahrt durch das Wasser-Labyrinth kommen
uns nur zwei Boote entgegen. Das Vogelgezwitscher und ein leises Plätschern
des Kahnfährmanns, wenn er seinen Rudel, mit dem er uns durch
die Fließe schiebt, nachzieht, sind die einzigen
Geräusche.
Gelegentlich erzählt der Fährmann
Witze oder etwas zur Geschichte des Spreewalds. Das Wetter meint es heute
auch gut mit uns, keine Regenwolke weit und breit. Sonst hätte uns der
Kahnfahrer in das Ganzkahnkondom stecken müssen, das aber
nur ein Regenschutz ist und mit dem man nicht fahren kann.
So wird die Fahrt zu einer echten Erholung
und von den meisten als der Höhepunkt der ganzen Woche empfunden.
Wir fahren bis zum Waldhotel Eiche. Von dort
führt ein Weg ins zehn Kilometer entfernte Lübbenau. Es dämmert
schon, als wir das Museumsdorf Lehde erreichen, in dem tagsüber die
Touristen in Scharen herumgegurkt wurden. Hier ist es inzwischen ruhig geworden.
Es ist aber ein lebendiges Museumsdorf, in dem sogar noch Leute wohnen. Nur
der Storch auf dem Feuerwehr-Turm ist gerade beim Essen holen. Aber das macht
nichts, wir haben ja schon mittags in Alt Zauche einen gesehen.
Als wir nach Lübbenau kommen, packen gerade
die letzten Fährleute ihre Touristen-Kähne zusammen; wir gehen
was essen, um dann ziemlich spät nach Berlin zurückzufahren.
Am Donnerstag gibt es Ingenieurskunst zu bewundern. Zwei Bauwerke sind
vorgesehen: das imposante Schiffshebewerk Niederfinow und das Kloster Chorin,
beides Sehenswürdigkeiten ersten Ranges.
Erst geht es mit dem Regionalexpress nach
Eberswalde, dann gleich weiter mit einem 628 nach Niederfinow. Über
eine Klappbrücke, die über den alten Finowkanal führt, gelangen
wir in den Ort. Hier hat sich seit der Wende nichts getan, nur die Straße
wurde neu geteert. |
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Schiffshebewerk Niederfinow |
Zwei Kilometer geht es an dieser Straße
entlang, dann stehen wir unter einer breiten Brücke, die mitten in ein
schon weithin sichtbares Stahl-Ungetüm hineinführt. Die Brücke
ist Teil des Oder-Havel-Kanals, das Ungetüm ist ein Aufzug für
Schiffe. Mit einer normalen Schleuse wäre der Höhenunterschied
von 36 Metern nicht zu bewältigen gewesen, vom Wasserverlust durch die
Schleusungen mal ganz abgesehen. So hat man 1934 das Schiffshebewerk gebaut.
Die Schiffe fahren oben in einen Trog, der dann mitsamt Wasser, Schiff und
Ladung abgesenkt wird. Wenn die Schiffe unten hinausgefahren sind, kommen
die, die hinaufwollen. Das Gewicht des Trogs ist immer gleich, denn bekanntlich
verdrängen Schiffe genauso viel Wasser, wie sie selbst wiegen. Nur der
Wasserstand im Trog muß immer gleich bleiben, das wird mit einer Fotozelle
überwacht. Der Trog ist über 256 Drahtseile mit Gegengewichten
verbunden, unten herum hängen Ausgleichsketten, die das je nach Position
des Trogs unterschiedliche Gewicht der Drahtseile ausgleichen. So ist das
Ganze immer exakt im Gleichgewicht, so daß
verhältnismäßig schwache Motoren für den Antrieb ausreichen.
Der Hubvorgang dauert fünf Minuten, das Ein- und Ausfahren der Schiffe
deutlich länger.
Für zwei Mark darf man auf die Galerie.
Auf der einen Seite hat man einen herrlichen Ausblick in das
Oderbruch, auf der anderen Seite kann man sich die Sinne von den sich
bewegenden Teilen gründlich verwirren lassen. Irgendwann meint man,
daß man selbst hinauf- und heruntergefahren wird.
In der Nähe des Hebewerks befindet sich
noch die alte Schleusentreppe, eine aufwendige Anlage mit 4 Schleusen zu
je 9 Metern Förderhöhe. Zur Wasserersparnis waren neben den
Schleusenkammern mehrstufige Ausgleichsbecken vorhanden. Diese Anlage wurde
vor über 30 Jahren stillgelegt und inzwischen hat sich die Natur das
Baudenkmal weit gehend zurückerobert.
Gleich neben der alten Schleusentreppe befindet
sich ein Gasthaus. Die Wirtin erdrückt uns fast mit ihrer
überschwenglichen Freundlichkeit. Das ganze Lokal ist mit Karikaturen
des HB-Männchen-Zeichners ausgestattet. Er ist ein Freund der
Wirts-Familie.
Um zum berühmten Kloster Chorin zu gelangen
sind erst einmal wieder einige Kilometer sandiger Kiefernwald die
Schorfheide zu überwinden. |
Kloster Chorin |
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Das Kloster ist die Ruine einer Zisterzienserabtei,
deren Ursprung auf das 13. Jahrhundert zurückgeht. Das Bauwerk ist trotz
allem Frevel vergangener Jahrhunderte recht gut erhalten, die Kirche ist
u.a. berühmt wegen den im Sommer stattfindenden Konzerten. Die roten
Backsteinbauten in der grünen Wildnis geben der Anlage einen besonderen
Reiz.
Schon ziehen die nächsten Gewitterwolken
auf und wir beeilen uns zum Bahnhof zu kommen.
Für den Freitag ist eine Stadtführung vorgesehen, da sich aber
alle schon in Berlin auskennen, wird daraus eine Kurzexpedition durch den
Tiergarten bei heftigem Dauerregen. Am Brandenburger Tor löst sich die
Gruppe für den Rest des Tages auf, jeder macht was er will.
Am Samstag ist die große CSD-Parade. Kurz nach 13 Uhr geht es am
Savignyplatz los. Wer nicht im Zug mitläuft, stellt sich in der Nähe
unserer Pension in der Bleibtreustraße auf. Die Position ist optimal,
wir stehen ganz vorne, die Leute im Zug sind noch frisch. Über 50 Themen-
und Reklamewagen von diversen Gruppen und Kneipen bilden den Hauptteil, dazu
kommt noch erhebliches mehr oder weniger aufwendig kostümiertes
Fußvolk. Unter anderem tragen sie eine schätzungsweise 1000 Meter
lange Regenbogenfahne mit sich.
Stimmung und Wetter sind hervorragend, die
Musik aus den Wagen ist laut und heizt die Stimmung weiter an. Bis der ganze
Zug vorbei ist, vergehen etwa zwei Stunden. |
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Während des Mittagessens beschließen
wir, den ganzen Zug in Ostberlin nochmal anzuschauen. Mit der S-Bahn fahren
wir zum Hackeschen Markt (ehem. Marx-Engels-Platz), und laufen über
fast autofreie Straßen bis kurz vors Brandenburger Tor. Nach einer
Stunde kommt tatsächlich nochmal der ganze Zug. Doch was heißt
der ganze: einige Wagen fehlen, die Tänzer sind nach diesem fast 10
km langen City-Marathon völlig fertig, manche laufen nur noch apathisch
nebenher. Die lange Regenbogenfahne fehlt ganz, wahrscheinlich haben sie
bei der Umrundung der Siegessäule einen riesigen Knoten
reingebracht . . .
Ein ganz anderer Nebenaspekt gefällt uns:
Die CSD-Parade hat garantiert für den ganzen Samstagnachmittag den
Auto-Verkehr in Berlin nahezu völlig zum Erliegen gebracht.
Nach der ulitmativ letzten Szenekneipen-Tour am Samstagabend verlassen wir
am Sonntagvormittag Berlin. Zur Belohnung fahren wir nochmal mit einer richtigen
Holzklasse-S-Bahn das kurze Stück vom Savignyplatz zum Zoo, wo bereits
der Intercity nach München wartet. Dieser ist gut eingeheizt und das
ist er auch noch, als wir bei sengender Hitze durch die Thüringer Weinberge
fahren. Erst nach massiven Beschwerden beim Schaffner kann die Heizung abgestellt
werden. Doch erst ein Gewitter in Augsburg bringt Erleichterung.
Mit den Gefühl, daß die Woche trotz
aller metereologischen Widrigkeiten für alle ein tolles Erlebnis war,
erreichen wir München am frühen Abend. |
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