Goldene Stadt und Elb-Florenz (II)

Im letzten Heft berichteten wir von der Reise nach Prag („Goldene Stadt"), den Ausflügen ins Elbsandsteingebirge und der Stadtführung in Dresden. Hier nun der zweite Teil des Reiseberichts unserer Dresden-Reise vom Oktober 1999.

Für den Donnerstag war eine Fahrt mit der Lößnitzgrundbahn (RadebeulRadeburg) vorgesehen. Rechtzeitig erfahren wir jedoch, dass die Strecke immer noch wegen Bauarbeiten gesperrt ist. In dem Dresdner Vorort Radebeul, der besonders Karl-May-Fans bekannt sein sollte (hier ist das Karl-May-Museum, die „Villa Bärenfett“), haben wir genügend Zeit, die abgestellten Schmalspur-Dampfloks der Lößnitzgrundbahn zu bewundern.
     Mit dem Schienenersatzverkehr werden wir auf abenteuerlichen Wegen durch die Dörfer gekurvt. Da es nun keinen Grund mehr gibt, die ganze Strecke abzufahren, lassen wir die ursprünglich vorgesehene Wanderung von Radeburg nach Moritzburg ausfallen. Wenigstens einen Vorteil hat die Busfahrt: als der Fahrer mitkriegt, dass wir zum Schloss Moritzburg wollen, bietet er an, uns direkt vor dem Schloss aussteigen zu lassen, so dass wir uns den ätzenden Weg auf der stark befahrenen Straße vom abgelegenen Bahnhof zum Schloss sparen können.
     Auf einer Insel im Schlossteich liegt das Schloss Moritzburg, ein monumentaler Bau mit vier runden Ecktürmen, umgeben von einer als Sockel wirkenden großen Terrasse. An der Stelle eines Jagdhauses aus dem 16. Jh., das Kurfürst Moritz inmitten des großen Jagdreviers errichten ließ, erfolgte unter August dem Starken von 1723 bis 1736 der Neubau des Schlosses. Es beherbergt ein wertvolles Barockmuseum und eine einzigartige Sammlung von Jagdtrophäen. In der Umgebung befinden sich ein Wildgehege, das Fasanenschlösschen und die historische Gaststätte Waldschänke.


Moritzburg
  

     Die Gruppe teilt sich: die einen wollen das Schloss besichtigen, die anderen ziehen eine Wanderung zu dem Fasanenschlösschen vor. Allzu spannend scheint allerdings die „einzigartige Trophäensammlung“ nicht zu sein, denn bald eilt ein Großteil unserer Schlossbesucher-Fraktion den Wanderern nach.
     Das Fasanenschlösschen sollte eigentlich ein Vogelmuseum beherbergen, das Gebäude macht allerdings einen etwas verwahrlosten und verlassenen Eindruck. Die Fensterläden der ursprünglich rosa angestrichenen Villa sind geschlossen und erst als die Sonne mal kurz hinter den Wolken hervor kommt, macht die Anlage einen halbwegs freundlichen Eindruck.

Aufgrund des reduzierten Programms haben wir am Nachmittag noch Zeit, nach Meißen zu fahren. Von Radebeul fahren wir mit der Straßenbahn bis Coswig, von dort geht es zu Fuß zum Bahnhof und mit einem RE weiter nach Meißen.
     In einer gemütlichen Wirtschaft am Elbe-Ufer gibts Mittagessen, dann marschieren wir entlang einer aberwitzig stark befahrenen Straße zur Porzellanmanufaktur. Die Besuchermassen werden im 10-Minuten-Takt durch vier Schauräume gelotst, in denen die Schritte vom Formen der Porzellan-Rohmasse bis zum fertigen Teil vorgeführt werden, wobei die künstlerische Gestaltung im Vordergrund steht. In jedem Raum sitzt ein Künstler, der vor den Augen der Besucher die Tätigkeiten durchführt, die von einem Tonband kommentiert werden.


Schauwerkstatt in der Porzellanmanufaktur
  

     Danach besichtigen wir noch den Verkaufsraum. In vielen Vitrinen gibt es hier vom obligatorischen Kaffee-Service bis zum kompletten Schachspiel jede Menge echte Kunstwerke zu bewundern. Die vielen Nullen vor dem Komma auf den Preisschildern bestaunen wir auch: das wird doch nicht in Lire ausgezeichnet sein... Nein, es handelt sich um harte D-Märker und die Japaner kaufen das Zeug, als wäre es billige Flohmarkt-Ware.
     Zurück geht es an der gleichen lärmenden Straße. Als uns der Krach und der Gestank allzusehr nervt verschwinden wir in einer winzigen Seitenstraße. Keine Ahnung, wo es da hingeht, aber erstmal weg hier!
     Nach einigem Zickzack kommen wir auf den Burgberg. Der sich unmittelbar an die Albrechtsburg anschließende Dom entstand ab 1260 an der Stelle einer älteren Bischofskirche. Trotz der langen Bauzeit des Kirchenschiffes bis etwa 1530, die beiden markanten Westtürme wurden sogar erst nach 1900 gebaut, ist sie ein gotisches Bauwerk von großartiger künstlerischer Geschlossenheit.
     Über eine lange Treppe, die sog. „Schlossstufen“, erreichen wir wieder die Altstadt. In einer Bäckerei entdecken wir „Meißener Fummel“. Die Neugier lässt uns keine Ruhe, bis sich einer einen „Fummel“ kauft. Es entpuppt sich als kinderkopfgroße gebackene Teigblase – innen völlig hohl, außen völlig geschmacklos.
     Nach dem Bummel durch die Gassen landen wir noch bei einer Weinprobe aus dem nördlichsten Weinbaugebiet. Die Probe scheint zu überzeugen: einige kaufen ein paar Flaschen, denn schließlich bekommt man den Wein sonst nirgends.
     Da einige noch in die Dresdner „Szene“ wollen, verlassen wir die Stadt relativ bald.

Am Freitag wird die Strecke nach Altenberg im Erzgebirge wieder eröffnet, die auch den ganzen Sommer wegen Bauarbeiten gesperrt war. Viel scheint man nicht erneuert zu haben, dafür hat der Geschäftsbereich „Netz“ kräftig „geholzt“ und nahezu alle Kreuzungsmöglichkeiten ausgebaut. Es ist fraglich, ob die traditionellen Dampfzüge, die hier gelegentlich fahren und die Skifahrer-Sonderzüge überhaupt noch zwischen die ohnehin nur im Zwei-Stunden-Takt verkehrenden Planzüge passen.
     Die Fahrt selbst ist nicht sonderlich aufregend. Altenberg ist ein Wintersportort – ganz nett hergerichtet aber ebenfalls nicht sonderlich aufregend. Der Bergbau wurde nach der Wende eingestellt, übrig ist nur noch ein verglaster Förderturm.
     Viel aufregender wäre die „Pinge“, ein riesiges Loch im Boden. Im Jahre 1620 ist hier mit mords Getöse ein Bergwerk eingestürzt. Offensichtlich hat man unter Tage etwas zuviel heraus gebuddelt. Umgekommen ist angeblich damals niemand, weil das mitten in der Nacht passiert sein soll. Übrig ist ein Krater von ca. 400 m Durchmesser und weit über 100 m Tiefe. Trotz der inzwischen vergangenen Jahrhunderte ist jedoch die Abbruchkante immer noch so brüchig, dass das Gelände weiträumig abgesperrt ist und man keinen schaurigen Blick in die Tiefe werfen kann.
     So müssen wir uns mit der Besichtigung der historischen „Zinnwäsche“ begnügen. Hier werden einem diverse Geräte aus verschiedenen Jahrhunderten gezeigt, mit denen man das Zinn-Erz zerkleinerte und mehr oder weniger erfolgreich vom tauben Gestein trennte.
     Ganz stolz führt uns der Museumsführer noch seinen Trabi-De-Luxe vor – mit automatischer Tank-Füllstandsanzeige und eingebautem Händi.
     Mit dem Bus fahren wir hinüber zum Kurort Kipsdorf. Dort beginnt die Fahrt auf der Weißeritztalbahn, einer dampfbetriebenen Schmalspurbahn. Nicht nur die Fahrzeuge, sondern auch die Strecke ist erheblich interessanter. Es geht an einem Stausee entlang und am Schluss sogar durch eine enge Schlucht. In Freital, wo die Hauptstrecke erreicht wird, ist ein großes Betriebswerk für die kleine Bahn, doch leider vereitelt die einsetzende Dunkelheit tiefere Einblicke.


Zug der Weißeritztalbahn abfahrtbereit in Kurort Kipsdorf
  

     Mit der S-Bahn geht es das kurze Stück zurück nach Dresden und nach einem chinesischen Essen verschwinden die meisten im legendären „Bunker“. Von Einigen hat man dann ja so Manches gehört...

Der Samstag ist einer Fahrt auf der „Sächsischen Semmeringbahn“ und dem Besuch der Stadt Bautzen gewidmet.
     Zu diesem Ausflug gesellt sich ein weiteres FES-Mitglied aus Sachsen mit seinem Freund, einem Lokführer.
     Mit der S-Bahn geht es die inzwischen wohlbekannte Strecke nach Bad Schandau. Der anschließende Drei-Wagen-Zug fährt über die Elbe und dann in einem dicht bewachsenen Tal relativ steil hoch. Die Aussicht hält sich in Grenzen, vom wild zerklüfteten Elbsandsteingebirge bekommt man diesmal nicht viel mit. Den Namen erhielt die Strecke wohl wegen einer gekrümmten Brücke bei Sebnitz – fast wie auf der echten Semmeringbahn, bloß alles viel kleiner. Allerdings ist die Strecke akut stilllegungsgefährdet.
     Bautzen macht seinem Ruf alle Ehre. Noch bevor wir richtig da sind, zeigt uns unser sächsischer Freund den Gefängniswagen auf einem benachbarten Gleis.
     Die Stadt selbst macht einen ausgesprochen freundlichen Eindruck. Die Altstadt ist nahezu vollständig erhalten und frisch renoviert. Der einzige größere Plattenbau wird gerade abgetragen – anhand der auf die Fassade gemalten großen Ziffern kann man erkennen, wie viele Stockwerke schon „geschafft“ wurden.
     Wir besteigen den „Schiefen Turm“, um uns einen Überblick zu verschaffen.
     Frei nach dem Motto „Wenn Engel reisen...“ hatten wir mit dem Wetter trotz des vom ersten Tag an angekündigten Regens immer Glück. Kein einziges Mal bekamen wir auch nur einen Tropfen ab. Offensichtlich hatten am Vorabend im „Bunker“ einige ihr „Engel-Sein“ aufgegeben – dem entsprechend wird jetzt das Wetter. Während des Mittagessens setzt massiver Regen ein, der den ganzen restlichen Tag anhält.
     Wir besichtigen die „Alte Wasserkunst“, einen Turm, in dem seit dem 16. Jh. Wasser aus der vorbeifließenden Spree in die auf einem großen Felsen erbaute Stadt gepumpt wurde. Heutzutage hat Bautzen freilich eine „richtige“ Wasserversorgung, mit der alten Turbine wird jetzt ein Generator betrieben, der ein bisschen Strom für den Eigenbedarf des Turms liefert. Der Überschuss wird ins öffentliche Netz eingespeist. Eigentlich läuft die Anlage nur, damit die Touristen ein paar rotierende Transmissionen bewundern können.


Die Skyline der Viel-Türme-Stadt Bautzen
  

     Wir besichtigen noch den Petridom, eine vierschiffige Hallenkirche aus den Jahren 1293 - 1303, die seit 1523 Simultankirche ist, d.h. beiden Konfessionen dient. Dann schauen wir noch bei der Ortenburg vorbei und gehen ein Stück an der Spree entlang. Wer den Fluss aus Berlin kennt wundert sich etwas, denn der Fluss ist hier kaum größer als die Würm in Pasing. Aber alles fängt mal klein an.
     Angesichts des ekelhaften Wetters verzichten wir auf den Spaziergang zum „Gelben Elend“ dem berüchtigtsten Knast der DDR und verbringen den Rest des Nachmittags in einem Café.
     Nach dem gemeinsamen Abendessen nehmen wir den direkten Weg zurück nach Dresden.

Mit dem Interregio fahren wir am Sonntag nach München zurück. Der Zug fährt bis Reichenbach quälend langsam. Man hat den Eindruck, dass er über weite Strecken nicht schneller als 50 km/h fährt. Zehn Jahre nach der Wende ist diese sächsische Hauptmagistrale in einem noch desolateren Zustand als sie es jemals während der DDR-Zeit war. Kurz nach Reichenbach erreichen wir dann den einzigen Höhepunkt: der Fahrt über die riesige Göltzschtalbrücke. Die Grenze zwischen den beiden „Freistaaten“ überqueren wir problemlos und bald hat uns die Heimat wieder.