4. Berlin-Brandenburger Wanderwoche

Um unsere treuen Leser nicht allzusehr mit Wiederholungen zu langweilen, sind die Ziele, die früher schon mal beschrieben wurden, hier nur noch kurz erwähnt. Wer sich mehr z.B. über den Spreewald oder das Schiffshebewerk informieren will, sollte die alten Ausgaben (Heft 2: „9 Münchner in Berlin“, Heft 7: „Wanderwoche in Berlin“) zur Hand nehmen. Im Internet sind die Reiseberichte noch länger verfügbar.

Bereits die Anreise hat es in sich: die Strecke zwischen Naumburg und Weißenfels ist gesperrt. Unser Intercity fährt ab Saalfeld über Gera nach Leipzig und holt sich bei dieser Gelegenheit planmäßig 40 Minuten Verspätung. Da die Streckensperrung lange vorher bekannt war, hat die DB den Intercity zum D-Zug abgewertet. Unser Zug endet mit weiteren 20 Minuten außerplanmäßiger Verspätung in Lichtenberg. Der Rest des IC-Zuglaufs nach Hamburg ist längst über alle Havel-Berge.
     Am Bahnhof empfängt uns ein Vertreter der schwulen Bahnfreunde Berlin-Brandenburg „Triebwagen“.
     Mit der S-Bahn durchqueren wir Berlin bis Charlottenburg. Für diejenigen, die noch nie in Berlin waren, bietet so eine Stadtbahnfahrt schon mal die ersten Eindrücke. Nachdem die Pension aus den Vorjahren einigen nicht mehr gefallen hat, haben wir ein neues Domizil ausfindig gemacht, ein Hotel direkt am Charlottenburger Bahnhof, das in den Fun-Maps gezielt schwule Gäste anspricht.

Zunächst geht's zum schwulen Straßenfest in die Motzstraße. So richtig törnt uns das nicht an, so landen wir schließlich in einem asiatischen Restaurant.

Der Sonntags-Ausflug geht diesmal über Frankfurt/Oder, Eisenhüttenstadt und Guben nach Cottbus. Das ist zwar nicht die kürzeste Strecke, aber wann kommt man schon mal in die Gegend? In Frankfurt sehen wir einen originalen russischen Zug, der gerade aus St. Petersburg kommt; wir passieren Stationen, deren Namen man noch vom Oder-Hochwasser des letzten Jahres kennt; bei Eisenhüttenstadt entdecken wir auf einem Hügel die große barocke Klosterkirche von Neuzelle, die gar nicht in die Gegend passt und uns eher an unsere bayerische Heimat erinnert. Über Guben gelangen wir schließlich nach Cottbus.
     Die Straßenbahn bringt uns ins Zentrum. Nach dem Mittagessen und einem kurzen Stadtrundgang marschieren wir entlang der Spree zum Gelände der Bundesgartenschau 1995.


Parkeisenbahn Cottbus
  
     Unsere Aufmerksamkeit gilt hier der ehem. Pioniereisenbahn, die jetzt „Parkeisenbahn“ genannt wird. Der ganze Betrieb wird von Kindern abgewickelt, die preußisch-zackig die Züge abfertigen. Kurzerhand besteigen wir den nächsten Zug, welcher zufällig mit einer Dampflok daher kommt und lassen uns bis zum Branitzer Park fahren.

Das Grabmal von Fürst Pückler
  
     Der Landschaftspark Branitz wurde ab 1846 von Fürst Pückler-Muskau gestaltet und im Jahre 1871 als letzter großer Park (87 ha) der klassischen Periode der Gartenbaukunst vollendet. In der Mitte des Pyramidensees ist eine kleine Insel angelegt, dort befindet sich unter der Pyramide die Grabstätte Pücklers und seiner Frau.

Straßenbahn in Cottbus
  
     Für uns gibt's im Schlosscafé Kaffee und Fürst-Pückler-Torte, danach fahren wir mit dem letzten Zug der Parkeisenbahn und der Straßenbahn wieder in die Stadt.
     Nach dem Abendessen bringt uns der Regionalexpress auf dem kürzesten Weg nach Berlin zurück.
 

Der Potsdamer „Combino“
  
Am Montag – wenn alle Schlösser zu sind – geht es wieder nach Potsdam. Obwohl wir die Tour bereits zum vierten Mal machen gibt es immer wieder was Neues zu entdecken. Neu sind diesmal die russische Kirche auf dem Kapellenberg und die Friedenskirche. Außerdem hat Potsdam neue Straßenbahnen, den sog. „Potsdamer Combino“.
     Auf der Pfaueninsel hören und sehen wir keinen einzigen der sonst so zahlreich herumlaufenden Pfauen. Dafür begegnet uns gleich bei der Fähre eine fürchterlich dicke zufrieden dreinschauende Katze...

Am Dienstag geht es mit der S-Bahn nach Strausberg, mit der „Strausberger Eisenbahn“, die mit Straßenbahnfahrzeugen betrieben wird, in die Stadt und mit der urigen elektrischen Fähre über den Straussee. Da einige Berliner „Triebwagen“-Freunde dabei sind, wird auf deren Anregung die Wandertour etwas ausgedehnt, wir landen in einem abgeschiedenen Ausflugsrestaurant zum Mittagessen und lassen uns das ausgedehnte Cruising-Gelände „an der Hochspannung“ beim Bötzsee zeigen. Wieviel allerdings in dieser verlassenen Gegend los sein soll bleibt offen.
     Mittels Strausberger Eisenbahn, Regionalbus und Woltersdorfer Straßenbahn gelangen wir zur Woltersdorfer Schleuse. Diesmal kommt das Schiff. Man hat allerdings die Fahrpläne derart umgekrempelt, dass eine Schifffahrt von hier draußen bis ins Berliner Zentrum nicht mehr möglich ist. So verlassen wir den Dampfer gleich nach dem Müggelsee in Friedrichshagen und laufen nach Köpenick.
     Da die Schlosswirtschaft gerade umgebaut wird und die Preise des legendären Ratskellers sich in astronomische Höhen entwickelt haben beschließen wir den Abend in gemütlicher Runde im Nebenzimmer einer netten Köpenicker Kneipe.

 

Wandergruppe auf einer Brücke über eines der zahlreichen Fließe
  
Der Mittwoch ist – wie immer – dem Spreewald gewidmet. Mit dem Zug nach Lübben und dem Schulbus nach Alt Zauche – unsere regelmäßigen Teilnehmer kennen schon die Fahrt. Auch in dem urigen Gasthaus hat sich nichts verändert. Da diesmal unsere Gruppe wieder groß genug ist, wartet auch schon der Kahn auf uns. Der Fährmann stakt uns über die weit verzweigten Spree-Fließe durch den Urwald. Vom Gasthaus Eiche wandern wir wieder – diesmal auf dem anderen Weg – nach Lübbenau. Nur ein Traktor begegnet uns auf der 14 km-Tour, ansonsten sind wir während der ganzen Wanderung unter uns. Auch das abgeschieden im Wald liegende Ausflugslokal Wotschofska hat schon zu.
     Abendessen gibt's in einem Fischrestaurant in Lübbenau, danach geht's zurück nach Berlin.

Auch der Donnerstag ist für unsere Stamm-Teilnehmer eine beliebte Wiederholung: es geht zum Schiffshebewerk Niederfinow und nach einer Wanderung durch die Schorfheide zum Kloster Chorin.

Für den Freitag ist immer die Berliner Stadtbesichtigung vorgesehen. An der Schifffahrt durch die Berliner Innenstadt nehmen noch alle teil, danach zerstreut sich die Gruppe. Der „harte Kern“ besichtigt noch den Schlosspark von Charlottenburg und kehrt in ein Wirtshaus mit Hausbrauerei ein. Mit dem berühmten 100er-Bus fahren wir vom Bahnhof Zoo bis zum Alexanderplatz und – weil es eine Touristenlinie sein soll – weiter bis zur Endstation irgendwo am Prenzlauer Berg. Allerdings führt die Linie nicht durch die interessanten Szene-Viertel vom „Prenzelberg“, sondern wir landen nach einigem Herumgekurve in einer absolut öden Plattenbausiedlung. Mit der Straßenbahn fahren wir wieder ins Zentrum und auch gleich über die Neubaustrecke quer über den Alexanderplatz.
     Beim „Roten Rathaus“ steigen wir aus, besichtigen das Nikolaiviertel und den Dom.


Ecke vom „Palast der Republik“ und Berliner Dom
  
     Der Palast der Republik steht noch, es wird immer noch diskutiert, ob man an dessen Stelle das alte Stadtschloss wieder aufbauen soll. Um in der Bevölkerung den Eindruck eines „Schandflecks“ zu verstärken, wurde die Vorderseite, in der sich früher der Dom immer so schön gespiegelt hat, mit Plastikplanen zugehängt.
     Unter den Linden laufen wir bis zum Brandenburger Tor, dann fallen wir erschöpft in den 100er-Bus und wundern uns nur noch über die gigantische Menschenschlange, die vor dem Reichstagsgebäude auf die Besichtigung der neuen Glaskuppel wartet.
  
Alles Banane...  Fernsehturm

Ganz-Nah-Kampf

„Öffentlicher Personennahverkehr“
Der Höhepunkt des Samstags ist die Parade des Christopher Street Day. Etwa 70 Wagen mit etlichen tausend Leuten Fußvolk ziehen an uns vorbei. Von den Wagen werden Kondome und Bonbons unters Volk geworfen. Die Kondome landen bei den Kindern, die Erwachsenen kriegen die Bonbons. Sekt und Wasser wird verkauft, die leeren Flaschen kugeln überall herum.
     Die letzte Gruppe des Zugs ist „Yachad“, die schwulen Juden. Allerdings hat die Berliner Stadtreinigung den Zug bereits eingeholt und die Straßenkehrer zerschlagen mit ihren Besen die herumkugelnden Flaschen. So mischt sich zur Musik und den Tänzen der Juden das Klirren der berstenden Glasflaschen...
     Ob man das nicht anders hätte regeln können?
     Den Nachmittag verbringen wir wesentlich ruhiger in einer Pizzeria in Dahlem, einem Spaziergang am Schlachtensee und einer Schifffahrt vom Wannsee über die Havel und Spree bis Charlottenburg.

Die Woche ist irgendwie viel zu schnell vorbei. Am späten Sonntagvormittag treten wir mit dem Interregio die Rückreise an und erreichen in Bitterfeld unseren Intercity, der eine halbe Stunde vor unserer Abfahrt bereits am Zoo abgefahren ist.