Funtreffen 2003 in Stuttgart

Plakat Funtreffen 2003 in Stuttgart Zehn Jahre gibt es nun den FES und das ist Anlass genug, das diesjährige Funtreffen der schwulen Bahnfreunde nach Stuttgart zu holen.
     Am Donnerstag vor Pfingsten treffen sich die ersten Teilnehmer zum Willkommens-Treff in der Weissenburg, dem schwul-lesbischen Zentrum. Ungeachtet dessen, dass die meisten nur „schwul“ und nicht „schwul-lesbisch“ sind, macht man es sich an den Biergartenbänken in der Hof-Ecke vor der Weissenburg bequem, knüpft neue Kontakte und wärmt alte auf.

     Die meisten wohnen im Telekom-Hotel auf dem etwas abseits gelegenen Uni-Campus. Es ist aber gut mit der S-Bahn erreichbar und am Wochenende gibt‘s auch einen Nachtbus. Es sind nur drei Stationen von der Stadtmitte (zwei kurze und eine lange), allerdings werden dabei über 200 Höhenmeter überwunden. Überhaupt wundern sich manche, wie man in so eine bucklige Gegend eine Stadt bauen kann. Da gehst Du gerade in ein Haus rein und willst auf der anderen Seite wieder hinaus und stehst plötzlich im vierten Stock. Die Rückwand der Weissenburg ist schief, weil das eine Stützmauer des dahinter liegenden Berges ist. Das nächste Haus steht entsprechend mehr drüber als daneben. Kein Wunder, dass manche Teilnehmer den Begriff „Schwab Francisco“ für die Stadt aufbringen...

     Noch sind die Teilnehmer frisch und können deshalb früh aufstehen. Denn schon um dreiviertel neun (für andere Gegenden: viertel vor neun, 8.45 Uhr) ist Treffpunkt auf dem ZOB (Zentraler Omnibusbahnhof) neben dem Hauptbahnhof. Von hier soll uns ein eigens von den Verkehrsbetrieben gecharterter Bus zum Märklin-Werk nach Göppingen bringen. Doch kaum ist die von Axel mühsam angebrachte Dekoration fertig, stellt sich heraus, dass der Bus nicht funktioniert. Immerhin wird uns dann die auf dem Busbahnhof bereitstehende Einsatzreserve zur Verfügung gestellt, freilich nun ohne Deko, dafür aber funktionstüchtig. Bahnfreunde verlassen nicht so gerne die Schienen, der Bus ist aber nötig, weil wir in Göppingen weit verstreute Ziele haben, die lange und zeitraubende Fußmärsche erfordern würden. Und wie wir von einer anderen Exkursion bereits wissen, sind Fußmärsche durch Göppingen nicht gerade sonderlich attraktiv...

     Normalerweise kann das Märklin-Werk nicht besichtigt werden, aber für uns wird eine Ausnahme gemacht. Weil wir aber gar so viele sind werden wir auf mehrere kleinere Gruppen aufgeteilt. Die ganze Produktion, vom Spritzguss bis zum Funktionstest, wird uns vorgeführt, die Entwicklungsabteilung ist allerdings top secret, da bleiben die Türen zu. Vor etlichen Jahren war man noch nicht so restriktiv mit den Führungen, da kamen Dutzende dauergrinsende Japaner und fotografierten jede Kleinigkeit, was bei den Märklin-Mitarbeitern gewisse Heiterkeit hervorrufte. Das Lachen ist ihnen aber schnell vergangen, als plötzlich japanische Billigware die Spielzeugläden überschwemmte. Seither ist das Fotografieren strengstens verboten, egal ob mit Dauergrinsen oder ohne...
     Die Rohteile der Modelle sind aus speziellen Legierungen gegossen. Das eigentliche Know-how steckt in den Gussformen, die so gestaltet sein müssen, dass das flüssige Metall auch die feinsten Strukturen ausfüllt, bevor es erkaltet. Bei manchen schwierigen Teilen gibt es eine Ausschussquote von 40 Prozent, die werden dann aber einfach aussortiert und für den nächsten Guss wieder eingeschmolzen. Hier wird rund um die Uhr gearbeitet, weil die Maschinen nicht erkalten dürfen, bzw. beim Anfahren die ersten Stunden ausschließlich Ausschuss produziert wird.
     Einige Teile werden aus Kunststoff gefertigt. Die Kunststoff-Spritzgusstechnik ist etwas einfacher zu handhaben, weil das Material besser fließt.
     Die Einzelteile werden aufwändig nachbearbeitet. Da müssen die Guss-Stutzen entfernt, scharfe Kanten abgefeilt, diverse Löcher gebohrt und Gewinde geschnitten werden. Das wird überwiegend von speziellen, für die Feinwerktechnik produzierten, automatisch gesteuerten CNC-Maschinen erledigt. Manche Maschinen sind auch gar nicht erhältlich, dann werden von Märklin selbst gefertigte Spezialkonstruktionen verwendet. Auch in diesem Bereich wird Tag und Nacht gearbeitet, weil sich die teuren Maschinen sonst nicht amortisieren.
     Manche Teile müssen noch lackiert, bemalt oder mehrfarbig bedruckt werden. Auch hier sind ausschließlich Spezialmaschinen und jede Menge Handarbeit im Einsatz.
     Die ganzen Einzelteile landen dann an U-förmig angeordneten Montagetischen, wo sechs bis acht Frauen die winzigen Teile unter großen Lupen im Akkord montieren. Am Schluss gibt‘s einen Funktionstest und dann werden die Modelle verpackt und auf Paletten gestapelt.
     Wenn man den ganzen Aufwand sieht, wundert man sich, warum die kleinen Loks nicht noch teurer sind...

     Zum Mittagessen bringt uns der Bus zu einem etwas abseits gelegenen Ausflugsrestaurant mit Biergarten. Der ist angesichts der drückenden Hitze auch dringend nötig.
     Eineinhalb Stunden wären nun noch für einen Besuch des Märklin-Museums vorgesehen. Im Verhältnis zum vorher Gesehenen ist das aber so wenig spektakulär, dass sich selbst die absoluten Modellbahn-Freaks schon nach einer halben Stunde gelangweilt im Gras vor dem Museum wälzen.
     Am Rückweg machen wir noch einen kleinen Abstecher nach Esslingen. Manche sind überrascht, dass es hier noch richtige O-Busse gibt, alle wundern sind jedoch über die Original-DDR-Ampelmännchen, die hier an einigen Kreuzungen den Fußgängerverkehr regeln. Wahrscheinlich fahren jetzt in Eberswalde Esslinger O-Busse herum und als Gegenleistung haben die Esslinger Eberswalder Ampelmännchen gekriegt.
     Eigentlich hätte uns der Bus direkt bis zum Straßenbahn-Museum in Zuffenhausen bringen sollen. Doch gerade, als wir „zufällig“ am Cannstatter Depot vorbei kommen, fällt Axel ein, dass wir mit dem Bus sowieso nur im Stau stehen würden und dass es effektiver sei, eine Straßenbahn zu nehmen. Kurzerhand lassen wir den Bus stehen, Axel holt „schnell mal“ eine Trambahn aus dem Depot und schon geht es weiter, wie versprochen an lauter im Stau stehenden Autos vorbei...

Straßenbahn-Museum Zuffenhausen
  
     Stilecht rücken wir in das Straßenbahn-Museum ein. Zunächst fallen alle über das bereit gestellte Kuchenbüffet her, dann gibt es noch eine Führung durch die „heiligen Hallen“.

     Mit unserer Oldtimer-Straßenbahn, mit der wir gekommen waren, fahren wir nun hinauf zum Fernsehturm, erst – teils unterirdisch – durch die ganze Stadt, dann richtig steile Straßen hoch und schließlich durch den Wald nach Ruhbank.
     Der Stuttgarter Fernsehturm ist der erste seiner Art und 217 m hoch. In etwa 150 m Höhe ist eine Aussichtsplattform. Der Turm ist nicht weit von der Straßenbahn entfernt, also wagen die meisten schnell mal einen Abstecher.
     Da das Schmalspur-Netz inzwischen gewaltig geschrumpft ist, geht es den gleichen Weg zurück. Unterwegs gibt es auch eine Stelle mit einer guten Aussicht. Da kommt dann regelmäßig die Behauptung auf, dass Stuttgart eine Stadt am Meer ist. Wieso? Ganz einfach: Wenn man hier morgens vorbei kommt, sieht man ein Nebelmeer, tagsüber ein Häusermeer, abends ein Lichtermeer und nachts – gar nichts mehr!

     In einem kleinen Café-Restaurant, das extra für uns geöffnet hat, gibt‘s noch was zu Essen. Während danach manche verschwinden, um sich der Stuttgarter „Szene“ zu widmen, setzt in dem Lokal die „Kernverhärtung“ ein. Der härteste Kern kriegt gerade noch die letzte Straßenbahn, mit der die letzte S-Bahn zur Uni zu erreichen ist.
     Wer nun meint, dass der Abend zu Ende sei, sieht sich spätestens bei der Ankunft im Telekom-Hotel getäuscht. Da sitzen die ganzen Szene-Bummler bei bester Laune einträchtig um ein paar Tische im Freien. Denn drinnen im Saal tobt eine Hochzeitsgesellschaft (hetero) und deshalb gibt es Musik und die ansonsten längst geschlossene Bar hat noch offen und kann uns mit Nachschub versorgen. Kurz vor drei verschwinden dann alle in den Betten.

     Am Samstagvormittag ist kein Programm vorgesehen. Man kann also entweder lang ausschlafen, eine Wanderung durch die umliegenden Wälder machen oder die vom Orga-Team zusammengestellte Liste von Modellbahnläden abklappern.

     Pünktlich um 14 Uhr beginnt die verkehrskundliche Exkursion zu Zahnrad- und Seilbahnen in Stuttgart. Während wir die kleinste Standseilbahn, den Schrägaufzug zum S-Bahnhof Stadtmitte, besichtigen, wächst die Gruppe gewaltig: Zirka vierzig Leute tummeln sich jetzt hier.
  
Zacken-Brücke
     Wir fahren zum Marienplatz, dann geht es zu Fuß durch einige unschöne Nebenstraßen zur ehemaligen Talstation und dem Betriebshof der „Zacke“. So nennen die Stuttgarter bildhaft ihre als normales Stadtverkehrsmittel verkehrende Zahnradbahn. Ein gerade generalüberholter Wagen, der aber leider noch keine Fahrerlaubnis hat, wird aus der Halle geholt, und auf der Schiebebühne hin- und hergefahren, bis alle alles gesehen haben. Der alte Bahnhof wird jetzt als Theater genutzt. Man hat nämlich zur Verbesserung der Umsteigesituation eine neue Strecke gebaut. Dabei schießt eine kühne Brücke mit einem hohen Bogen aus der südlichen Häuserfront und bringt die Zacke mitten auf dem völlig ebenen Marienplatz zur Landung.
     Ein paar Meter gehen wir die steile Straße hoch, dann kommen wir an eine Zahnrad-Weiche. Das ist schon ein spezielle Konstruktion und wird uns auch in Bewegung vorgeführt. An der nächsten Station steigen wir ein und fahren nochmal nach unten, nicht nur, um auch einmal aus der südlichen Häuserfront auf dem Marienplatz zu landen, sondern auch um uns Sitzplätze für die längere Bergfahrt zu sichern. 205 Meter geht es nun hinauf, angesichts der Zahnradbahnen im Gebirge nicht viel, aber mitten in der Stadt ist das schon was Besonderes.
     Die Bahn schiebt ein Gestell vor sich her, auf dem man Fahrräder mitnehmen kann. Der Service wird aber nur bergwärts angeboten, weil talwärts der Wagen vom Personal nicht eingesehen werden kann. Die Talfahrt müssen die Radfahrer aus eigener (Schwer-)Kraft bewältigen.
     Die Bergstation in Degerloch mit der darunter befindlichen U-Bahn-Station hat man für Blinde besonders vorbildlich gestaltet. Neben besonders angeordneten und gestalteten Leitlinien gibt es die üblichen Bahnhofs- und Umgebungspläne auch als Modelle zum Anfassen.
     Unser Allzweck-Fahrer Axel lässt es sich nicht nehmen, dem Fahrer der Zacke eine Pause zu gönnen und uns persönlich wieder talwärts zu bugsieren. Schließlich darf er das und er kann es auch und so kommt die Tucken-Zacke unten wieder wohlbehalten an.
     Nun geht es weiter zur Seilbahn. Während dem kurzen Weg von der Stadtbahnstation zur Talstation der Seilbahn wird der Himmel immer dunkler und man hört auch schon, wie die Wolken rumpelnd zusammengeschoben werden...
     Wir nehmen Platz in dem hölzernen Wagen der Standseilbahn und es geht 87 Meter hoch zur Bergstation. Im Keller ist das „Windwerk“ mit der Seilwinde untergebracht. Weil sich Seile besser ziehen als schieben lassen, ist bei Seilbahnen (außer Umlauf-Seilbahnen) der Antrieb immer in der Bergstation. In zwei Gruppen können wir die Technik im Betrieb aufmerksam beobachten.
     Die Zukunft der Seilbahn ist leider ungewiss, weil die EU-Gleichmacher in Brüssel neue Seilbahn-Gesetze erlassen haben. Danach müsste hier die Antriebs- und Brems-Technik völlig ausgewechselt werden. Und ob die Stadt Stuttgart die dafür erforderlichen Eumels herausrückt ist noch nicht entschieden. Aber das muss man sich mal vorstellen: Die Alternative zur Seilbahn wäre ein Bus. Und der soll sicherer sein??? Au weia!!! Frei nach dem Motto „Sachkenntnis trübt nur die Klarheit der Entscheidungen“ werden von der EU völlig willkürliche Bestimmungen erlassen. Wahrscheinlich brüten sie gerade darüber, wie man per Verordnung erreichen kann, dass in Stockholm das gleiche Wetter wie in Athen zu herrschen hat – „wegen Wettbewerbsverzerrung“ – versteht sich!

     Gleich fahren wir wieder runter. Ganz in der Nähe ist ein Stadtbahn-Depot. Man ahnt es ja schon: Axel lotst die ganze Meute in einen gelben Wagen, ein paar Funksprüche, und schon kurvt die Gesellschaft wieder durch die Stadt, diesmal mehr durch den Stuttgarter Osten, wo wir auch bei unseren bisherigen jährlichen Rundfahrten kaum hingekommen sind.

     Ab 20 Uhr steigt dann in der Weissenburg die Gala „10 Jahre FES“ mit einem mehrgängigen Festmahl, einer Tombola und einem Unterhaltungsprogramm mit Überraschungsgast. Über 50 Personen erscheinen jetzt. Das Essen ist vorzüglich. Bei der Tombola gewinnt jeder was. Die Preise reichen vom Reklame-Kugelschreiber bis zum deutschen Strecken-Atlas von Schweers & Wall. Schließlich gibt es noch viel Stimmung mit „Melitta Mabuse“, der/die sich nach jedem Travestie-Stück in Windeseile umzieht und mit jedem Aufritt für neue Überraschung sorgt. Als die letzte Zugabe verklungen ist, müssen sich die Telekom-Bewohner auch schon auf die Socken machen, damit sie noch die letzte S-Bahn kriegen.

     Heute ist zwar keine Hochzeitsgesellschaft im Telekom-Hotel, aber eine andere Gruppe hat den Saal gemietet, und deshalb gibt‘s wie in der Nacht zuvor noch gute Laune und Bier im Freien.

     Am Pfingstsonntag geht es mit 70 Teilnehmern auf zur großen Rundfahrt. Dazu haben wir einen Karlsruher Stadtbahnwagen nach Stuttgart kommen lassen. Das ist auch kein Problem, denn die Karlsruher haben ihre Straßenbahn „ausgewildert“. Die kommen überall hin, wo (Normalspur-)Gleise liegen und wo es irgendeine Stromversorgung gibt. Sie sind recht genügsam und fressen 750-V-Straßenbahn-Gleichstrom genauso wie 15kV/16 Hz-Bahnstrom. Wenn es sein muss, schrecken die auch vor einer ICE-Rennstrecke nicht zurück. Aufgrund massiv gestiegener Fahrgastzahlen sind sie auch recht vermehrungsfreudig und bevölkern deshalb inzwischen ganze Landstriche in Baden-Württemberg. Wo der Lebensraum fehlt, werden kurzerhand neue Gleise gelegt und so siedeln sich selbst in Gegenden, wo die Straßenbahnen schon ausgerottet waren (z.B. Heilbronn) wieder neue Exemplare an.
     Auch auf dem neuen Straßburger Straßenbahn-Netz wollten die Karlsruher die Artenvielfalt heben. Doch die Franzosen betrachten alles argwöhnisch, was aus Deutschland kommt und obwohl in den Stadtbahnen garantiert keine Kanonen versteckt sind, war bisher ein weiteres Vordringen nach Westen nicht möglich. Dabei gibt‘s doch – noch weiter im Westen – ein Land, auf dessen Treiben wir beide – Deutsche und Franzosen gemeinsam – noch viel argwöhnischer schauen...
     Pünktlich verlassen wir den Stuttgarter Hauptbahnhof und fahren zunächst über die alte Strecke mit dem großen Bietigheimer Viadukt bis Vaihingen (Enz). Ein kurzes Stück geht es über die ICE-Rennstrecke, dann weiter über Pforzheim nach Karlsruhe. Weil heute keine Mittagspause vorgesehen ist, werden selbstgeschmierte Wurst- und Käsesemmeln verteilt. Man hat an alles gedacht und jedem eine geschmiert...
  
Das macht Laune: mit der Straßenbahn über ICE-Rennstrecken brettern
     Unterwegs sammeln wir einen einsamen Fahrgast auf. Wie sich schnell herausstellt ist es Herr Dr. Ludwig, der Leiter der Karlsruher Verkehrsbetriebe, auf dessen Initiative der Erfolg des Stadtbahnsystems zurückgeht. Auf erfrischende Art erzählt er über die Bordlautsprecher die Erfolgs-Geschichte der Stadtbahn und gegen welche – teils ziemlich absurde – Widerstände gekämpft werden musste. Außerdem schildert er beispielsweise – unter großem Gelächter – die erste Begegnung von einem „richtigen“ Zug und den Probefahrten der Stadtbahn. Es ist halt für einen richtigen Lokführer schon ein Schock, wenn völlig unerwartet auf dem Gegengleis eine Trambahn daher kommt.
     Alle sind traurig, als der Herr Direktor in Karlsruhe den Zug verlässt. Immerhin empfinden wir es als große Ehre, dass er am Pfingstsonntag-Vormittag seine Familie im Stich lässt, um uns seine tolle Stadtbahn vorzustellen und drollige Geschichten zu erzählen. Das war eine echte Überraschung!
     Wir machen einstweilen eine längere Pause, dann geht es auf der ureigensten Strecke der Stadtbahn – der Albtalbahn – weiter nach Bad Herrenalb. Von hier fahren wir mit zwei kleineren Pausen direkt die 100 km bis Heilbronn Harmonie durch. Die Gleise liegen noch ein paar hundert Meter weiter, die nehmen wir auch noch mit. Nach einer halben Stunde besteigen wir nochmal die Stadtbahn für das kurze Stück (eigentlich durch die ganze Stadt – aber Heilbronn ist nicht so groß...) bis zum Eisenbahnmuseum. Hier verlassen wir den Wagen endgültig. Wir sind jetzt etwa 220 km damit herumgekurvt.

(Vorläufiges) Streckenende in Heilbronn
  
     Auch im Eisenbahnmuseum wird zunächst mal das Kuchenbüffet gestürmt. Ausgerechnet von den Schwestern, die sonst Angst vor jedem Millimeter Bauch-Umfang haben. Aber was soll‘s? Erst wenn der Bauch dicker als der Schwanz lang ist, dann wird man unversehens zur Frau! Oder so...?!

     Eisenbahnmuseen mit Dampfloks drin hat jeder schon mal gesehen. Aber die Geschichten dazu! Die hat so noch keiner gehört. Da gibt es eine Schnellzug-Dampflok der Baureihe 01, die hat einen Engländer so fasziniert, dass er sie ins Königreich geholt hat. Der Koloss konnte aber nicht auf den Schienen fahren, weil die Briten ein kleineres Lichtraumprofil haben. Deshalb musste ein aufwändiger Straßentransport organisiert werden. Da sind schnell mal 100.000 Eumel verpulvert. Er hatte die Lok toll hergerichtet, der Öffentlichkeit präsentiert und auch immer sorgfältig und persönlich poliert. Aber das Publikum ist ja so gemein! Erstens haben sie die 01 als Fremdkörper im englischen Eisenbahnmuseum empfunden und dann ist noch irgendein Zeitungs-Fuzzy drauf gekommen, dass das Hitlers Lok sei. Das ist zwar nicht ganz richtig, aber nachdem die englischen Zeitungen ja bekanntlich noch schlimmer als unsere Bild-Zeitung sind, gab es kein Halten mehr. Das Ding musste weg. Ebenso aufwändig, wie die Lok gekommen war, wurde sie nach Deutschland zurück geschafft, die Heilbronner bekamen eine großzügige Spende von dem edlen Herrn, damit sie auch schön drauf aufpassen, und ab und zu kommt der Gentlemen zum Streicheln und Polieren seiner Lok. So eine rührige Geschichte haben wir schon lange nicht mehr gehört...
     Den Rest des Museums gibt es im Schnellverfahren, dann steht auch schon unser wieder mal extra gecharterte Bus bereit. Nachdem wir inzwischen so viele sind, dass nicht mehr alle rein passen, wird eine Vorhut mit Wochenend-Tickets schon mal zum Bahnhof geschickt.

     Der Bus bringt uns – nachdem wir zunächst kilometerweit in die falsche Richtung fahren – direkt zu einem Restaurant am Feuersee. Dort ist das Abendessen für uns reserviert. Leider sind die Räumlichkeiten nicht so ansprechend, dass wir es dort nennenswert länger als unbedingt nötig aushalten. Die Gesellschaft löst sich allmählich auf und im Telekom-Hotel ist auch nichts mehr los. Ein paar Leute sitzen noch an unserem inzwischen gewohnten Nacht-Tisch, Bier gibt es aber nur noch aus dem Automaten und der ist ziemlich bald leer...
  
's Zügle: Gartenbahn auf dem Killesberg mit richtiger Dampflok
     Wer das Kleinbahn-Bw auf dem Killesberg anschauen will, muss früh aufstehen. Die anderen können noch ein Stündchen länger in den Federn bleiben. Um 10 Uhr soll der kleine Dampfzug losfahren, aber ein paar Nachzügler halten den ganzen Betrieb auf. Na ja, eine Gartenbahn ist halt doch kein ICE. Nach einer Runde mit dem Dampfzug sind alle, die unbedingt ganz vorne sitzen wollten, mit lauter schwarzen Pickeln übersät. Noch ist nicht viel los, aber gegen Mittag ist der Andrang so groß, dass die Dieselgarnitur auch noch raus muss, und dann wird fast im 10-Minuten-Takt gefahren.
     Wir besteigen inzwischen einen Aussichtsturm, eine interessante Konstruktion, deren einziger Mast auf einer Kugel gelagert ist und der Rest ausschließlich aus Drahtseilen besteht. Wenn man ganz oben ist macht es schon Laune, den ganzen Turm gründlich zum Schwanken zu bringen. Seekrank wird aber doch keiner.

     Das typisch schwäbische Abschiedsmahl im Biergarten sind Spätzle mit Linsen und Saiten. „Saiten“ sind Wiener Würstchen, die in Wien Frankfurter heißen.

     Das letzte Event, die rührige Abschiedsszene, gibt es stilecht auf dem Turm des Stuttgarter Hauptbahnhofs. Diesmal sind der Sekt nicht so trocken und die Tränen nicht so nass, schließlich wird doch schon hinter der Hand gemunkelt, dass das nächste Funtreffen in München sein wird...



Titelseite

vorheriger Artikel

nächster Artikel